Afrikanische
Medizinmänner und SF-Weirdos
Die US-amerikanische
Band Granfaloon Bus
Von Thomas Bohnet
Das Album "Rocket
Noon" der Granfaloon Bus aus San Francisco war 1996 eine der
erfreulicheren Platten aus der amerikanischen Underground-Szene
jenseits von Low-Fi, Slow-Core und den Chicagoer Experimenten. Beim
kleinen Düsseldorfer Label "Trocadero" erschienen, ging
die CD hierzulande leider ziemlich unter. Schade, denn, was die
Vier aus SF auf ihrem dritten Album anstellen, hätte eigentlich
mehr Beachtung verdient.
Grob gesagt
pendeln Felix Costanza, Steve Daubenspeck (der Mensch heißt wirklich
so), Ajax Green und Jeff Palmer (einst bei den Sister Double Happiness)
mit ihrem schrägen, verschrobenen Rock und den schläfrigen, windschiefen,
countryinfizierten Songs irgendwo zwischen Pavement und den Palace
Brothers. Also durchaus in einem Feld, wo es eigentlich ein Publikum
geben müsste.
1991 im südkalifornischen
San Diego vom ehemaligen Soziologie-Studenten Felix Costanza gegründet,
erscheinen zwei Alben, eines auf Cassette, eines auf CD. Doch erst
als die Band nach San Francisco zieht und in einer neuen Besetzung
aufläuft, kommt Bewegung in die Bandgeschichte, wie Felix Costanza
beim Telefoninterview erzählt. Den seltsamen Namen hat man einem
Roman von Kurt Vonnegut entlehnt, "Cat`s Cradle". "Ich
hatte damals in einem Plattenladen gearbeitet und dabei eine Frau
von Rough Trade kennengelernt. Der wollte ich ein Tape meiner Band
mitgeben und sie fragte mich natürlich gleich nach dem Namen. Da
wir noch keinen hatten, mir aber "Granfaloon" im Kopf
herumging, habe ich einfach den genommen und noch ein "Bus"
drangehängt." Was bedeutet denn "Granfaloon"? - "Nichts
aufregendes", sagt Felix, "Granfaloon ist eine stolze
aber bedeutungslose Assoziation von Leuten...Ich weiß nicht, wie
ich das erklären soll? Sagt Dir "hoosiers" etwas? - Schon
mal gehört.."Leute aus Indiana nennen sich selber hoosiers.
Die denken, sie hätten irgendwas gemeinsam obwohl sie in Wirklichkeit
eigentlich nichts gemein haben, als aus Indiana zu sein. Das ist
ein Granfalooner...."
Felix, der an
der Uni von San Diego Soziologie studiert hatte, schreibt auch die
meisten Songs der Band. Muss man Soziologe sein, um einen Song wie
"The Witchdoctor`s are sulking" zu schreiben? - "Ich
interessiere mich immer noch für Soziologie, Anthropologie. Eine
Zeitlang, als ich keinen Job hatte, habe ich viel PBS (Public Broadcast
System) gesehen. PBS bringt interessante Wissenschaftsshows und
Dokumentationen. Dort gab`s eine Sendung über einen Stamm in Afrika,
bei dem regelmäßig der Blitz einschlug und die lokalen Medizinmänner
ratlos zurückließ. Westliche Wissenschaftler haben dann entdeckt,
daß der Blitz deshalb dort so häufig einschlagen ist, weil der Stamm
seit Jahrhunderten seine Feuer am gleichen Platz entfachte, der
aufsteigende Kohlenstoff sozusagen eine Leiterfunktion hatte. Die
Folge war, daß die Medizinmänner Respekt eingebüßt haben und infolgedessen
schmollten. Irgendwie habe ich diese Geschichte dann weitergesponnen."
Ein anderer
Song, die Hanging-Ballade "Alexandra" hat Johnny Cash,
der gerade seinen dritten Frühling erlebt, inspiriert. Wie hält
man`s überhaupt mit Country? "Das ist eigentlich nur eine Seite
von mir", sagt Felix. "Auf Country aufmerksam geworden
bin ich witzigerweise erst über Elvis Costello. Ich war als Teenager
ein großer Costello-Fan und als er sein Album "Almost Blue"
(Costello goes Country, tb) herausgebracht hatte, habe ich gedacht,
wenn ER Country gut findet, dann muß da doch was dran sein."
Felix hat sich dann via Gram Parsons, die Flying Burrito Brothers
und einen WG-Mitbewohner, der Willie Nelson & Co gehört hat,
eingehört. Größeren Einfluß auf seine musikalische Entwicklung hätten
aber vor allem Sonic Youth und die frühen REM ausgebüt. "Das
waren die Bands, wo ich selber merkte, hey, auch du kannst in einer
Band sein", sagt Felix. "Alles davor klang so distanziert
und so weit weg von den Realitäten. Ich meine, das ganze Zeug lief
im Radio, war slick und perfekt und alles, aber hat mich nicht richtig
berührt." Als er dann selber angefangen hat, Musik zu machen,
haben ihm Bands wie die Flaming Lips, vor allem deren Studioarbeit
und Pavement gefallen und, man glaubt`s kaum, daß den noch jemand
kennt, der britische Exzentriker Robyn Hitchcock. "Ich glaube,
der wohnt inzwischen sogar in San Francisco", sagt Felix. Bands
wie Palace und die anderen aus der Slow-Core-Ecke oder "Americana"-Bands,
wie Felix sagt, habe er erst jüngst entdeckt. In San Francisco fühle
man sich keiner Szene direkt zugehörig. "Klar, man kennt Leute
und spielt auch schon mal mit befreundeten Bands zusammen, aber
Teil einer Szene sind wir nicht."
Im Januar/Februar,
wenn dieser Artikel schon geschrieben ist, kommen Granfaloon Bus
zum ersten mal nach Deutschland. Im Vorprogramm vom Südwest-Rocker
Rich Hopkins und seinen Luminarios tourt man erstmals durch deutsche,
österreichische und dänische Clubs. Ich könnte mir vorstellen, daß
Granfaloon Bus dann einige Fans dazugewinnen werden.......
Discographie:
"It`s All
Just Parlor Tricks" (Cassette, 1991)
"A Love
Restrained" (CD, Discobolus Rec, 1992)
"Coffe
Girl/Sip Away" (7", Hairy Rec, 1994)
"Hairy
Rec Compilation" (CD, 1995)
"For Proper
Stylus Care (LP-Compilation, Jalopy Grotto Rec, 1996)
"Rocket
Noon" (CD, Trocadero, 1996). Vertrieb: D=Rough Trade/CH=Disctrade.
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