Nr. 5 / März 1997

















Gästebuch


Afrikanische Medizinmänner und SF-Weirdos

Die US-amerikanische Band Granfaloon Bus

Von Thomas Bohnet

Das Album "Rocket Noon" der Granfaloon Bus aus San Francisco war 1996 eine der erfreulicheren Platten aus der amerikanischen Underground-Szene jenseits von Low-Fi, Slow-Core und den Chicagoer Experimenten. Beim kleinen Düsseldorfer Label "Trocadero" erschienen, ging die CD hierzulande leider ziemlich unter. Schade, denn, was die Vier aus SF auf ihrem dritten Album anstellen, hätte eigentlich mehr Beachtung verdient.

Grob gesagt pendeln Felix Costanza, Steve Daubenspeck (der Mensch heißt wirklich so), Ajax Green und Jeff Palmer (einst bei den Sister Double Happiness) mit ihrem schrägen, verschrobenen Rock und den schläfrigen, windschiefen, countryinfizierten Songs irgendwo zwischen Pavement und den Palace Brothers. Also durchaus in einem Feld, wo es eigentlich ein Publikum geben müsste.

1991 im südkalifornischen San Diego vom ehemaligen Soziologie-Studenten Felix Costanza gegründet, erscheinen zwei Alben, eines auf Cassette, eines auf CD. Doch erst als die Band nach San Francisco zieht und in einer neuen Besetzung aufläuft, kommt Bewegung in die Bandgeschichte, wie Felix Costanza beim Telefoninterview erzählt. Den seltsamen Namen hat man einem Roman von Kurt Vonnegut entlehnt, "Cat`s Cradle". "Ich hatte damals in einem Plattenladen gearbeitet und dabei eine Frau von Rough Trade kennengelernt. Der wollte ich ein Tape meiner Band mitgeben und sie fragte mich natürlich gleich nach dem Namen. Da wir noch keinen hatten, mir aber "Granfaloon" im Kopf herumging, habe ich einfach den genommen und noch ein "Bus" drangehängt." Was bedeutet denn "Granfaloon"? - "Nichts aufregendes", sagt Felix, "Granfaloon ist eine stolze aber bedeutungslose Assoziation von Leuten...Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll? Sagt Dir "hoosiers" etwas? - Schon mal gehört.."Leute aus Indiana nennen sich selber hoosiers. Die denken, sie hätten irgendwas gemeinsam obwohl sie in Wirklichkeit eigentlich nichts gemein haben, als aus Indiana zu sein. Das ist ein Granfalooner...."

Felix, der an der Uni von San Diego Soziologie studiert hatte, schreibt auch die meisten Songs der Band. Muss man Soziologe sein, um einen Song wie "The Witchdoctor`s are sulking" zu schreiben? - "Ich interessiere mich immer noch für Soziologie, Anthropologie. Eine Zeitlang, als ich keinen Job hatte, habe ich viel PBS (Public Broadcast System) gesehen. PBS bringt interessante Wissenschaftsshows und Dokumentationen. Dort gab`s eine Sendung über einen Stamm in Afrika, bei dem regelmäßig der Blitz einschlug und die lokalen Medizinmänner ratlos zurückließ. Westliche Wissenschaftler haben dann entdeckt, daß der Blitz deshalb dort so häufig einschlagen ist, weil der Stamm seit Jahrhunderten seine Feuer am gleichen Platz entfachte, der aufsteigende Kohlenstoff sozusagen eine Leiterfunktion hatte. Die Folge war, daß die Medizinmänner Respekt eingebüßt haben und infolgedessen schmollten. Irgendwie habe ich diese Geschichte dann weitergesponnen."

Ein anderer Song, die Hanging-Ballade "Alexandra" hat Johnny Cash, der gerade seinen dritten Frühling erlebt, inspiriert. Wie hält man`s überhaupt mit Country? "Das ist eigentlich nur eine Seite von mir", sagt Felix. "Auf Country aufmerksam geworden bin ich witzigerweise erst über Elvis Costello. Ich war als Teenager ein großer Costello-Fan und als er sein Album "Almost Blue" (Costello goes Country, tb) herausgebracht hatte, habe ich gedacht, wenn ER Country gut findet, dann muß da doch was dran sein." Felix hat sich dann via Gram Parsons, die Flying Burrito Brothers und einen WG-Mitbewohner, der Willie Nelson & Co gehört hat, eingehört. Größeren Einfluß auf seine musikalische Entwicklung hätten aber vor allem Sonic Youth und die frühen REM ausgebüt. "Das waren die Bands, wo ich selber merkte, hey, auch du kannst in einer Band sein", sagt Felix. "Alles davor klang so distanziert und so weit weg von den Realitäten. Ich meine, das ganze Zeug lief im Radio, war slick und perfekt und alles, aber hat mich nicht richtig berührt." Als er dann selber angefangen hat, Musik zu machen, haben ihm Bands wie die Flaming Lips, vor allem deren Studioarbeit und Pavement gefallen und, man glaubt`s kaum, daß den noch jemand kennt, der britische Exzentriker Robyn Hitchcock. "Ich glaube, der wohnt inzwischen sogar in San Francisco", sagt Felix. Bands wie Palace und die anderen aus der Slow-Core-Ecke oder "Americana"-Bands, wie Felix sagt, habe er erst jüngst entdeckt. In San Francisco fühle man sich keiner Szene direkt zugehörig. "Klar, man kennt Leute und spielt auch schon mal mit befreundeten Bands zusammen, aber Teil einer Szene sind wir nicht."

Im Januar/Februar, wenn dieser Artikel schon geschrieben ist, kommen Granfaloon Bus zum ersten mal nach Deutschland. Im Vorprogramm vom Südwest-Rocker Rich Hopkins und seinen Luminarios tourt man erstmals durch deutsche, österreichische und dänische Clubs. Ich könnte mir vorstellen, daß Granfaloon Bus dann einige Fans dazugewinnen werden.......

Discographie:

"It`s All Just Parlor Tricks" (Cassette, 1991)

"A Love Restrained" (CD, Discobolus Rec, 1992)

"Coffe Girl/Sip Away" (7", Hairy Rec, 1994)

"Hairy Rec Compilation" (CD, 1995)

"For Proper Stylus Care (LP-Compilation, Jalopy Grotto Rec, 1996)

"Rocket Noon" (CD, Trocadero, 1996). Vertrieb: D=Rough Trade/CH=Disctrade.

Letzte Änderungen: 28.12.2001
Produziert von
Peter Pötsch